die geburt der Bilder

- aus der Musik - aus dem Kopierer - aus den Schnipseln

Vernissage
Donnerstag, 20. Oktober

Dauer der Ausstellung
21. Oktober - 11. November 2016

Ausstellung in der Produzentengalerie Wien
Mit Michaela List und Andreas Orsini Rosenberg

Dokumentation der Produzentengalerie Wien

 

Methode 1: „Nach Duchamps"


Der Vorgangsweise Duchamps nachempfunden ist folgende mehrstufige Methode: ausgehend von einem Bildmotiv, das dargestellt werden möchte, in unserm Beispiel „Odysseus bei den Sirenen“ wird das Motiv in vereinfachter Form auf einem Blatt Papier aufgezeichnet.

Bild 2

 

 

 

Die Rückseite des Blattes wird schwarz angemalt und sodann die Figur oder die Figuren der Zeichnung ausgeschnitten. Die eigentlichen Gestalten können weggeworfen werden, die Papierreste werden mit ihrer Rückseite nach grafischen Gesichtspunkten als abstraktes Bild angeordnet.

 

 

 

 

 

bild 1 surrealistische Methode

 

 

 

Die surrealistische Idee hierbei ist, dass kein Inhalt verloren geht und auch die Reste das Thema oder die Gefühle in irgendeiner Form ausdrücken. (Bild 1)

 

 

 

 

 

bild 2

 

 

 

In einer zweiten Stufe wird das Thema als Kriminalgeschichte umformuliert und in Form gefundener Indizien oder Abbildungen dargestellt. In unserem Beispiel handelt es sich um eine Eifersuchtstragödie, da Archilles eine der Sirenen dem Odysseus abspenstig gemacht hat. (Bild 2)

 

 

 

 

 

 

 

 

bild 3

 

 

 

 

 

 

Im dritten Schritt wird sodann nochmals auf den eigentlichen Fokus der Geschichte Bezug genommen. (Bild 3) 

 

 

 

 

 

 

 

 

In einem zweiten Beispiel wird die gleiche Methode nochmals dargestellt: in William Shakespeares „Der Sturm“ wird Pospero als Persönlichkeit mit einer unglaublichen Stärke der Veränderung der Bezugsrahmen dargestellt. Es macht keinen Sinn Dinge, die man nicht erreichen kann endlos weiterzuverfolgen, es ist viel sinnvoller das Wertesystem an die gegebenen Umstände anzupassen. Das Thema des „Refraimings“ wie in Abbildung 5 dargestellt, erbrachte wie bei Abbildung 1 Reste, die selbst zu einer Collage zusammen gefügt eine Neuinterpretation ergaben. (Bild 4)

 

 

bild 4r       rahmen

 

 

 

 

 

 Methode 2: Ausdruckstanz und Isolation

 

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Sehr oft ist es hilfreich, um in einem Thema neue Aspekt zu erlangen eine Separierung des Formalen vom Inhalt zu erreichen. Im vorliegenden Beispiel wird dies durch Ausdruckstanz ermöglicht: das vorgegebene Thema sind die Darstellungen von Wachtürmen und Wellblechhütten einer Slumsiedlung.

Indem das Bild extrem stark vereinfacht oder symbolisch dargestellt wird und sämtlicher Inhalte entledigt wird, wird es zum Schema für eine Choreografie. In der Choreografie geht es nur mehr um die Abstraktion der Gestalt in einer Bewegungsform. (Abbildungen 6a+b)

 

 

 

 

 

 

 

 

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Methode 3: Cut-Up

 

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Abbildung 7

 

In der Cut-Up Methode wie sie vor allem in der Literatur Verwendung fand, zum Beispiel Boroughs, der verschiedene Textseiten zerschnitt und nach Zufallsprinzip wieder zusammenfügte, werden in der hier dargestellten Methode mehrere Bilder in Stücke zerschnitten und diese Stücke willkürlich miteinander vermischt aber dann nach grafischen Gesichtspunkten zu neuen Bildern zusammengesetzt.

Auch hier ist zumindest vordergründig der Inhalt der Bilder entleert und allein grafische, abstrakt gestalterische Gesichtspunkte leiten den Konfigurationsprozess.

Im dargestellten Beispiel handelt es sich um drei Bilder: Die Oper Thais von Massenet, der Film „Exterminating Angels“ von Bunuel, sowie das Theaterstück „Der Sturm“ von Shakespeare. Diese drei Werke sind in der Abbildung 7 dargestellt.

 

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Abbildung 8

 

In Abbildung 8 sind vier Kompositionen der Neuzusammenfügung vorgeschlagen, wobei die aufs erste inhaltsentleerte und rein grafisch abstrakte Vorgangsweise in einem weiteren Schritt zu interessanten psychoanalytischen Interpretationen führt. (Abbildung 8)

 

 

Massenet „Thais“

Hysterie bei Thais

(auch im Lied an den Mond)

 Thais: der große Irrtum des gesamten Projekts von Athanael: er wird sie nie wiedersehen!

 …die Welt nur als Chiffre für das ewige Leben aufzufassen, …

 Eine Metapher der männlichen Sexualität:

Das Gleichgewicht der Enthaltsamkeit:

Der Rhythmus von:

- Eros und Logos

- Seele und Geist

- Fluss und Logik

- Trance und Organisation

…following the mystico-religious reawakening of her Christian conscience…

…she angrily dismisses her former lover Nicias, Athanael and his God, before breaking into peals of hysterical laughter. …

Wenn deine Liebe verreist, dich verlassen hat, du alleine bist, sich ein schwarzes Loch auftut, ein Vakuum, dann ist das ein Sprungbrett, etwas neues zu erlernen

Fräulein Else = Dora (Ida Bauer) vgl. Kandel S. 116

Fräulein Else ist eine 1924 erschienene Monolog-Novelle von Arthur Schnitzler.

Bunuel „Exterminating Angels“

die Wiederholung als Befreiung

In Bunuels Film und Ades Oper „The Exterminating Angel“

Thomas Ades: in gewisser Weise ist der Vernichtungsengel eine Abwesenheit – ein Fehlen von Wille, … Nehmen wir an es gäbe tatsächlich eine übernatürliche zerstörende Macht, eine mythische Figur, die es uns unmöglich macht zu handeln.

Leute, die vom Rest der Gesellschaft abgesondert sind, und wie sie sich in dieser neuen ‚Umgebung‘ verhalten.

Die Unfähigkeit, den Raum zu verlassen. als Zeichen für die Fessel, in der jeder Mensch durch die Gesellschaft, ihre Zwänge, Normen und Denkmuster gelegt wird.

…ein tiefsitzender Unwille – der Unwille, den Status quo zu verändern: Um ihre Privilegien zu bewahren, nimmt die Bourgeoise innere Lähmungen, ja den eigenen Untergang in Kauf.

Shakespeare „Der Sturm“

Dieses Meer ist selbst in der Lage, alle möglichen Dinge zu verwandeln – nicht zuletzt die Menschen.

„Wenn dir eine Situation vorgegeben ist, versuche, dass du diesen Umständen gerecht wirst.

Setze Deine Wertungen neu.

Jeder Mensch nimmt sich Anteile seiner Eltern, die er haben möchte, die für ihn selbst positiv sind.

Jeder der Überlebenden der Schiffskatastrophe ist von einer Form von Abwesenheit besessen – sei das Exil oder ein persönlicher Verlust. Ferdinand trauert um seinen Vater und Alonso um seinen Sohn, während Sebastian dazu ermutigt wird, das Fehlen eines Nachfolgers auszunützen und den Thron an sich zu reißen.

Das Meer schwoll bis über die Wolken an und lieferte dem Himmel eine Schlacht. …durchfluteten die Wassermassen ganzen Flüssen gleich die Luft.

„…das meiste Gepäck über Bord geworfen – darunter zahlreiche Kisten und Truhen, wodurch kein geringer Verlust entstand - … Doch steht die Güte und holdselige Hinführung zu größerer Hoffnung durch unseren gnadenreichen Gott.“

 

 

bild 11

 

Methode 4: Die Dekonstruktion

 

 

 

In der Philosophie wird unter Dekonstruktion die Reduktion einer komplexen Darstellung oder Beobachtung auf das ihr innerste Wesentliche bezeichnet.

In ähnlicher Weise kann ein komplexes Bild auf den wesentlichen Kern reduziert werden. Im vorliegenden Beispiel wird dies alleine durch Heraushebung von Ausschnitten eines Bildes und der Überarbeitung dargestellt. (Bild 9) Es handelt sich um ein Bild zur Sage der Göttin Arethusa.

 

 

 bild 8

 

 

 

 

 

 

 

 

Göttin Arethusa

Sie war eine Nymphe, eine Najade (eine Quellen Nymphe) und zugleich eine Schwester der Hesperiden.

In der Sage ist Arethusa eine wunderschöne Nymphe die gerne jagte und sportlich war.

An einem heißen, sonnigen Tag, nach dem Training, stieg sie in den Fluss Alpheios, um darin zu baden. Dabei wurde sie vom gleichnamigen Flussgott überrascht und bedrängt. Auf ihrer Flucht konnte Arethusa die ihr wohlgesinnte Göttin Artemis um Hilfe bitten, diese umhüllte Arethusa mit dichtem Nebel. Als dies den vom Verlangen getriebenen Alpheios nicht wirklich abhalten konnte, verwandelte Artemis die verzweifelte Nymphe in eine Quelle, deren Bächlein unterirdisch und verborgen unter dem Peloponnes und unter Sizilien hindurchfloss und in Syrakus austrat.

Alpheios aber zerfließt buchstäblich in Tränen und verwandt sich auf diese Weise in einen kleinen Fluss. Dieser Fluss vermischt sich bei Syrakus mit dem Quellwasser der Arethusa und beide strömen ins Meer, sodass beide Wasser untrennbar miteinander vermischt sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

Methode 5: "Nach Tadeus Kantor"

Um eine Thema zu vertiefen sind theatrale Interpretationen oder Rollenspiele oder Psychodrama eine immer wieder angewendete Methode.

Für Tadeus Kantor war die Kulisse, der Gegenstand auf der Bühne von zentraler Bedeutung, weshalb diese Form der Inszenierung und thematischen Behandlung für die Bildende Kunst besonders interessant ist. Kantor verwendete sehr viele Formen aus der Mythologie, der Kabbala, er integrierte sämtliche Familienmitglieder und Ahnen, auch Verstorbene in das Stück. Im vorliegenden Beispiel des Babylonischen Turmes (Abbildung 11) wird eine Verbindung der biblischen Geschichte mit Kafkas Erzählung „Das Stadtwappen“ hergestellt.

 

Bild9

 

 

Methode 6: Klassische Vorbilder

 

Jacopo Tintoretto 032b

 

Die großen Werke der Kunstgeschichte wurden in ihrer Bewunderung zu Ikonen, die nicht weiter hinterfragt, oft nicht einmal untersucht werden. Das genaue Studium solcher Bilder führt zu interessanten Studien über Raum, Tiefe, Lichtführung und Farben, aber auch inhaltlich zu neuen Interpretationen der dargestellten Gefühle und Rollen.

ModellAm Beispiel Tintorettos „Susanne im Bade“ wird eine Neuinterpretation in Bild 12 dargestellt: zum einen werden die räumlichen Verhältnisse und Lichtverhältnisse analysiert, in einem Modell nachgebaut, aber gleichzeitig wird auch das inhaltliche Konzept des erotischen Blickes anders interpretiert.

Die neuen Technologien von Akustik und Video ermöglichen eine Erweiterung des künstlerischen Raumes bzw. der sensorischen Übermittlung. (Abbildung 12)

 

 

Bild 1

 

 

 

 

Bild 13

 

Methode 7: Metamorphosen

 

Ausgehend von der Überlegung, dass eine Geschichte, eine Erzählung in sich stimmig sein muss, damit sie funktioniert, käme eine Erzählung einem Wahrheitsbeweis relativ nahe. Eine Geschichte, die nicht funktioniert oder die keine Pointe hat, ist einfach falsch.

Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen, ist die Verkehrung einer Geschichte in ihr Gegenteil ein interessantes Experiment und die Frage nach ihrer Stimmigkeit zur Überprüfung ihres Wahrheitsgehaltes umso interessanter.

Versuchen wir dies am Beispiel von Goethes Faust, eine der Fundamentalgeschichten der abendländischen Kunst, so gehörte zu der Rolle von Faust auch die Rolle Goethes als große Autorität, dem Über-Ich der künstlerischen Welt.


Nun hat angeblich Goethe die Rolle des Faust, als die Rolle des Künstlers, und mehr noch die Rolle des Clowns in der Gesellschaft gesehen. Der unzurechenbare Wurschtl, dem Outsider am Rande der Gesellschaft. (Abbildung 13)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Methode 8: Die Musik

 

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Bereits der Titel dieser Ausstellung „Die Geburt der Bilder aus der Musik, aus dem Kopierer, aus den Schnipseln“ erinnert an das bahnbrechende Werk Nietzsches „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik.“ In diesem Werk stellt Nietzsche die Entwicklung der Kunst aus der Polarität zwischen dem Apollinischen, das heißt „logisch verstehendem Konstruierten“ einerseits und dem „Dionysischen“ das heißt „rauschartig unkontrolliertem“ andererseits. Je näher wir der Musik sind, umso näher sind wir dem logisch, nicht zugreifbaren Dionysischem des Menschen.

 

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Tatsächlich führt Malerei die möglichst unmittelbar an Musik angebunden wird, mit extatischen Bewegungen, ohne Werkzeugen, direkt mit Händen und Füßen zu Bildern, die dem Dyonischen näher sind. (Abbildung 14) Interpretation zu Wolfgang Amadeus Mozart „Adagio Symphonie Nummer 36 K 425“